Moos:
Ein Eppaner Adelssitz mit spätgotischen Malereien

Autor Helmut Stampfer
Auszug aus Burgen. Band 14. Schnell und Steiner, Regensburg 2016, ISBN 978-3-7954-3010-8

Lage

Südwestlich von Bozen, rund 200 Meter höher als das Etschtal, breitet sich das Überetsch mit zahlreichen Dörfern und Einzelbauten aus, die die Gemeinden Eppan und Kaltern bilden. Die Gegend ist nicht nur wegen des Weinbaus bekannt, sie wurde aufgrund der zahlreichen Burgen, Schlösser und Ansitze zu Recht als Adelsparadies Tirols bezeichnet.

Oberhalb von St. Michael, südwestlich der Gleifkirche erstreckt sich eine nach Süden leicht abfallende Terrasse, die bis heute weitgehend von Zersiedlung verschont geblieben ist. Dort befindet sich eine ausgedehnte Baugruppe mit mehreren Wohnhäusern, Wirtschaftsgebäuden und einer Kapelle, die bereits um 1600 als „Schloss Moos“ bezeichnet wurde, obwohl sie nie befestigt war. Seit der in der Mitte des 19. Jahrhundert erfolgten Aufteilung unter mehreren Eigentümern ist der Name nur mehr für das Herrenhaus in der Südwestecke der Anlage gebräuchlich.

Gesamtansicht, Zeichnung von Johanna von Isser Großrubatscher (1802–1880)

Geschichte

Der älteste Bauteil von Schloss Moos, der Wohnturm in der Nordostecke, lässt sich aufgrund der jüngst erfolgten dendrochronologischen Untersuchungen mehrerer Deckenbalken auf die Jahre 1299/1303 datieren. Das entspricht somit der Entstehungszeit des Kernbaues, der domus murata, dem gemauerten Haus, das Wolflin von Firmian 1309 bewohnt und dafür dem Domkapitel von Trient Zins bezahlt hat.

Das Schloss blieb im Besitz der Firmianer von Moos, bis sie gegen Ende des 15. Jahrhunderts ausstarben. Der letzte männliche Nachkomme, Ritter Georg von Firmian zu Moos und Hocheppan, starb laut Aufzeichnungen der Familie von Firmian im Jahre 1492. Ihm verdanken wir mit großer Wahrscheinlichkeit die spätgotische Ausmalung von Schloss Moos. Georgs Tochter Christine heiratete Jakob von Spaur, der im Erbwege der nächste Eigentümer wurde.

Knapp hundert Jahre später, um 1580, veräußerte Johann Wilhelm von Spaur, der als letzter seiner Linie im Jahre 1600 in den Türkenkriegen umkam, Schloss Moos an den Hauptmann Christoph Tanner von Tann. Von ihm erwarb es kurz später Wilhelm von Lanser.
1608 wurden die Brüder Leonhard und David von Lanser mit dem Prädikat „von Moos“ in den Adelsstand erhoben. Obwohl die Lanser das Schloss nicht lange innehatten, verbreitete sich in Eppan die Redensart, „er lebt wie ein Lanser auf Moos“ für einen Menschen, der Geld in Hülle und Fülle hat und immer flott lebt.

Durch die um 1615 erfolgte Eheschließung des Hans Caspar von Schulthaus mit Maria Salome von Lanser kam Schloss Moos an diese Familie. 1653 erhielten die Brüder Christoph Wilhelm und Julius von Schulthaus sowie deren Schwestern die Erlaubnis, das Wappen des ausgestorbenen Geschlechtes der Firmian von Moos mit ihrem zu vereinigen.

Mit diesem vermehrten Wappen besiegelt Joseph Anton von Schulthaus die Eigentumserklärung im Theresianischen Kataster von 1775. Die Bauten befanden sich damals im freien und ungeteilten Eigentum des Joseph Anton von Schulthaus und seiner drei namentlich nicht genannten Geschwister. Nach einer anderen Quelle hatte er drei Schwestern, Rosa, Antonia, Leonore und einen Bruder Karl. Joseph Anton war hingegen alleiniger Besitzer der östlich unterhalb des Schlosses gelegenen Katharina-Kapelle.

Wappen der Herren von Schulthaus über der Eingangstür

Ignaz Benedikt von Schulthaus (1818–1901) sah sich gezwungen, das verschuldete Schloss Moos um die Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Gläubigern zu überlassen.

Die Liegenschaft wurde zerstückelt und verwahrloste rund 100 Jahre lang zusehends, bis sie 1956 von Walther Amonn erworben wurde. Der bekannte Bozner Kaufmann und Kunstmäzen ließ den Bau vorbildlich instandsetzen, die völlig kahlen Räume hat er mit Stücken aus seinen reichhaltigen Sammlungen liebevoll eingerichtet. Schließlich brachte er 1982 Schloss Moos in die von ihm gegründete Walther-Amonn-Stiftung ein mit dem Ziel, den Bau und seine Ausstattung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Frühjahr 1985 öffnete Schloss Moos seine Tore als kleines, aber feines privates Museum, das sowohl des originellen Baues als auch seiner Einrichtung wegen einen Besuch lohnt.

BAUGESCHICHTE

Küchenfenster mit Ausgussstein

Das weitgehend unverputzte Mauerwerk und sichtliche Nahtstellen zwischen einzelnen Bauteilen erleichtern baugeschichtliche Beobachtungen, die in der Fachliteratur schon relativ früh ihren Niederschlag gefunden haben.

Der älteste Teil, der Wohnturm im Nordosteck ist auf die Jahre 1299/1303 datiert. Dieser Kernbau, zu dem die beiden Rundbogenfester im ersten und zweiten Obergeschoss der Ostseite sowie ein weiteres halbes Fenster an der Nordseite gehören, war von einer Ringmauer umgeben. Nachdem im 14. Jahrhundert kleinere Anbauten im Westen und im Süden des Wohnturms errichtet sowie die Ringmauer erhöht wurde, stellte man 1423 einen zweigeschossigen Baukörper an die Westseite des Kernbaus.

Um 1500 erhält auch der Südosttrakt ein zweites Obergeschoss.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das dritte Obergeschoss aufgesetzt. Dabei ergab sich die heutige Dachform, während der bis ins 20. Jahrhundert offene Dachboden erst unter Walther Amonn zu Wohnräumen ausgebaut wurde.

Die gedeckte Freitreppe und die Umgestaltung der Eingangstür an der Nordseite gehören einer weiteren Bauphase an, die in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren ist. Zur gleichen Zeit dürfte auch der schmale Anbau an der Südseite entstanden sein.

Rundgang

Die Freitreppe an der Nordseite führt auf ein Podest, von dort betritt man durch eine Rechtecktür, über der ein Marmorwappen der Herren von Schulthaus angebracht ist, das erste Obergeschoss des Wohnturms. Der Estrichboden, die Balkendecke auf Unterzug und das vergitterte Fenster nach Osten schaffen einen eher düsteren Raumeindruck, der von zart gemalten Ranken an den Wänden aufgehellt wird. Die Ranke als ein Leitmotiv gotischer Dekorationsmalerei im sakralen wie im profanen Bereich erfreute sich in Tirol größter Beliebtheit.

Das Jagdzimmer
und die Schlafkammer

Der einfache, von zwei Fenstern belichtete Raum ist mit einem gemalten Vorhang in Wandmitte und einem Bilderfries darüber ausgeschmückt. Der Blick des Besuchers richtet sich spontan auf die der Eingangstür schräg gegenüberliegende Szene, die sich bei näherem Hinsehen als Katzen-Mäuse-Krieg zu erkennen gibt.

Die sehr seltene Darstellung wird als Motiv der verkehrten Welt gedeutet, dessen literarische Quellen bis ins späte Mittelalter und zu Boccaccio zurückverfolgt werden können. Es gibt auch altägyptische Vergleichsbeispiele in Wort und Bild, ein zwar nicht erhaltenes, aber bezeugtes Wandbild aus römischer Zeit und schließlich die Darstellung aus dem 12. Jahrhundert in der ehemaligen Burgkapelle von Pürgg in der Steiermark.

Im westlichen Abschnitt der benachbarten Nordwand erstreckt sich ein Reigen von Jagdszenen, der sich mit einer groß angelegten Hirschjagd auf der Ostwand fortsetzt, die als edelste Spielart der Jagd besonders ausführlich geschildert wird. Die linke Hälfte der Südwand bis zu der von zwei Holzpfosten gerahmten Tür zeigt eine schwach kenntliche Bärenjagd.

Die Fläche über der Eingangstür, erst sichtbar, wenn man sich im Raum umdreht, stellt ein ebenso seltenes wie außergewöhnliches Bildmotiv, einen eigenartigen Laubbaum, auf dem männliche Geschlechtsteile wachsen, dar. Nackte Frauen ernten die begehrten Früchte und sammeln sie ein. Der Phallus- oder Wunderbaum knüpft an die Motive der Minnemacht und der verkehrten Welt an und thematisiert aus männlich-frauenfeindlicher Sicht die angeblichen Auswüchse weiblicher Sexualität. Die Entstehung der Ausmalung des Jagdzimmers wird um 1470 datiert.

Die kulturhistorische Bedeutung, die den Bildern zukommt, wiegt die bescheidene künstlerische Qualität bei weitem auf. Bleiben die Jagdszenen, die ziemlich genau die Hälfte des Bildprogramms ausmachen, im Rahmen des Üblichen, so beanspruchen Minnemacht und Phallusbaum großen Seltenheitswert. An der Funktion des Raumes als Rückzugsort einer geselligen adligen Männerrunde lassen die Bilder keinen Zweifel. Die Lage im ersten Obergeschoss, wo man eigentlich Stube und Küche erwarten würde, ist ungewöhnlich, da Räume, die einem ausgewählten Kreis von Besuchern vorbehalten waren, meist an abgelegeneren Orten platziert wurden. Allerdings ermöglicht das Stiegenhaus einen direkten Zugang zur Stube als Hauptwohnraum ohne das Jagdzimmer zu betreten.
Die Tür in der Südwand erschließt den anschließenden Raum, der ursprünglich als Schlafkammer gedient haben dürfte und daher von Walther Amonn mit einem Himmelbett von 1692 und einer ungefähr gleichzeitig entstandenen intarsierten Truhe neu eingerichtet wurde. Zwei Türen führen in den südseitigen schmalen Anbau, eine weitere Tür nach Osten in einen kleinen, etwas tiefer liegenden quadratischen Raum und von dort auf gleichem Niveau weiter in das Südostzimmer, das wiederum zur Gänze ausgemalt ist.

Die Tür in der Südwand erschließt den anschließenden Raum, der ursprünglich als Schlafkammer gedient haben dürfte und daher von Walther Amonn mit einem Himmelbett von 1692 und einer ungefähr gleichzeitig entstandenen intarsierten Truhe neu eingerichtet wurde. Zwei Türen führen in den südseitigen schmalen Anbau, eine weitere Tür nach Osten in einen kleinen, etwas tiefer liegenden quadratischen Raum und von dort auf gleichem Niveau weiter in das Südostzimmer, das wiederum zur Gänze ausgemalt ist.

Das Südostzimmer
im ersten Obergeschoss

Über einem illusionistisch dargestellten Sockel aus grauen Steinquadern wird eine vor- und zurückspringende hölzerne Brüstung vorgetäuscht. Das gemalte Holztürchen mit feiner Maserung einer tatsächlichen Lichtnische links neben dem Ostfenster perfektioniert die Illusion. Die Brüstung gibt den Blick auf bewegte Ranken mit bunten Blättern und Früchten frei. Jede Wand führt verschiedene Pflanzen vor, im Osten sieht man ein Gewirr von schlauchförmigen Reben mit Weinblättern und Trauben, zwischen denen sich kleine Vögel tummeln. Gegenüber beherrschen Äste einer Eiche mit Eicheln das Feld, in der Holzbalustrade darunter wird die graue Steinrahmung einer Eisentür vorgetäuscht.

 In der Nordwand führt eine etwas höher gelegene Tür, gerahmt von einem gemalten Aststab, um den sich ein Band schlingt, zurück in den Vorraum des 2. Obergeschosses. Der Türflügel mit schönem Renaissance-Ornament, die Bänder und das Schloss stammen aus dem 17. Jahrhundert. 1942 diente der Raum als Küche im Süden und Vorraum im Norden. Unter Walther Amonn wurde die Trennmauer abgebrochen und die Einheit des Raumes wiederhergestellt.

Vorraum
im zweiten Obergeschoss des alten Turmes

Zu den zarten Ranken, die wie im Stock darunter den Raum schmücken, treten hier auch figürliche Malereien. An der Westwand sieht man zu beiden Seiten der erhöht liegenden Stubentür zwei vergitterte Fenster, hinter denen wilde Tiere eingesperrt sind. Das Bild links wurde zur Gänze übermalt, während das rechte, von der später errichteten Holztreppe in das dritte Obergeschoss leider überschnitten, wesentlich besser ist und auch den Käfig, in dem sich der Löwe befindet, erkennen lässt. An der gleichen Wand oberhalb der Treppe, die von unten heraufführt, erscheint ein überlebensgroßer Christophorus mit dem Christuskind auf der linken Schulter und dem grünenden Baum in der rechten Hand. Alle Wandmalereien wurden erst um 1960 entdeckt, mit Ausnahme des linken Tierkäfigs, auf den sich eine briefliche Notiz von Walther Amonn aus dem Jahre 1959 beziehen dürfte, wonach der vorige Eigentümer in einem Raum Imitationen von Wandmalereien ausführen hat lassen, um offensichtlich zum Ankauf des Gebäudes anzuregen. Die künstlerische Qualität der Malereien schwankt und ist auf mehrere Maler eines Ateliers zurückzuführen, das wohl in Bozen beheimatet war. Als Auftraggeber kommt am ehesten Ritter Georg von Firmian in Frage, als Entstehungszeit um 1470.

Die Stube

Vom Vorraum führt eine abgewinkelte Treppe zur gemauerten Tür mit Eselsrückenholm, die in der Westmauer des alten Turmes ausgebrochen wurde, um den Zugang zur Stube im Anbau zu ermöglichen. Der große, einladende Wohnraum mit gemauertem Ofen beeindruckt durch eine leicht aufgebogene Decke aus Bohlen und Balken, die in Längsrichtung verlegt und an den Schmalseiten in Zargen verankert sind. Die Balken tragen geschnitzte Kerbschnitt-Ornamente. Die Größe der Stube, die kunsthandwerklich ausgeführte Decke und die Seitensitze an den Fenstern betonen den Charakter adligen Wohnens, obwohl die Stube im ausgehenden Mittelalter auch im bürgerlichen und bäuerlichen Bereich in Tirol weit verbreitet war. Die Decke dürfte um 1470 entstanden sein.

Die Küche

Die Stube als rauchfrei heizbarer Hauptwohnraum des Hauses ist stets verbunden mit der Küche, von der aus der Stubenofen beschickt wird. So stößt auch in Schloss Moos die Küche unmittelbar an die Stube. Die Feuerstelle, ein offener Herd mit altem Kamin liegt in der Südostecke, der Rauch des Stubenofens musste daher in einem Abzugsschacht längs der Ostwand in den Küchenkamin geleitet werden. Die Küche ist ungewöhnliche groß. In der Südwestecke gegenüber dem offenen Herd hat sich unter dem Fenster der ursprüngliche Schüttstein erhalten. Musste das Wasser ins zweite Obergeschoss heraufgetragen werden, so gestaltete sich hingegen die Entsorgung vergleichsweise mühelos. Zahlreiche, von Walther Amonn gesammelte Haushaltsgeräte lassen die ehemals hier durchgeführten Arbeiten aufleben.

Das Südostzimmer
des zweiten Obergeschosses

Der Raum wird von zwei Fenstern mit abgefaster Steinrahmung belichtet, die Wände erhielten um 1600 eine Renaissance-Täfelung. Bei der Umgestaltung zur Stube wurde in der gewölbten Nische gegen Westen ein Kachelofen aufgestellt, der nach Verkleinerung der Nische ebenfalls von der Küche aus beschickt werden konnte.

Das Erdgeschoss
des Westtraktes

Das Erdgeschoss enthält einen einzigen großen Raum, der ursprünglich der Weinverarbeitung diente. In großen Bottichen wurde die Maische zur Gärung „angesetzt“, man spricht daher heute noch von „Ansetz“. Die Bezeichnung „Torggl“, die am 1942 erstellten Grundriss aufscheint, leitet sich von einer Weinpresse her, die damals zwar nicht mehr vorhanden, aber früher hier neben den Bottichen aufgestellt gewesen sein dürfte. Die schwere Balkendecke aus der Bauzeit liegt auf einem Unterzugsbalken, der von einer Mittelsäule mit Kopfbändern gestützt wird. Der gut proportionierte und stimmungsvolle Raum, der einige Höhepunkte aus der Bildersammlung von Walther Amonn bietet, wird mitunter zu Ausstellungszwecken genutzt.